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Hörtexte Windmühle

Text 1

Das Wandern ist der Mühle Lust?

Kaum zu glauben: Dieses Gebäude ist schon dreimal umgezogen! Mitte des 19. Jahrhunderts in der Gemeinde Stemwede bei Minden: Der Müller Schaaf wandert nach Amerika aus und verkauft seine Mühle. Der neue Besitzer ist mit dem Standort nicht zufrieden – zu wenig Wind. Daher baut er das Gebäude ab und lässt es etwa zwei Kilometer entfernt wieder errichten. An ihrem neuen Standort wurde die Windmühle bis Mitte der 1950er-Jahre betrieben. In vielen Gegenden Westfalens standen die meisten von Naturkraft betriebenen Mühlen sehr viel eher still. Mit der wachsenden Bevölkerung im 19. Jahrhundert konnten sie den Bedarf an Mehl nicht mehr decken. Größere Industriemühlen entstanden. Als für das Freilichtmuseum eine Windmühle gesucht wurde, wählte man die Mühle aus Stemwede. 1962 begann ihr Wiederaufbau am Eingang des Museumstals – als das erste Gebäude im Gelände. 2020, fast 60 Jahre nach ihrem letzten Umzug, wurde sie an diesen Ort versetzt.

Text 2

Gestatten: Müller!

„Müller“ ist der am weitesten verbreitete Nachname im deutschen Sprachraum. Familiennamen, die sich auf den ausgeübten Beruf beziehen, entstanden im Mittelalter. Seit dem 12. Jahrhundert besaß fast jeder Ort eine Mühle. So erklärt sich die weite Verbreitung des Namens. Neben Windmühlen gab es auch Wassermühlen. Die einzelnen Mühlen waren jeweils auf bestimmte Produkte spezialisiert.

In dieser Mühle wurde Getreide verarbeitet. Der wesentliche Vorgang ist das Mahlen zwischen den Mahlsteinen: Der „Bodenstein“ liegt fest. Darüber dreht sich der „Läuferstein“, der mit dem Antrieb verbunden ist. Nach dem Mahlen werden die Kornteile gesiebt und dabei nach Größe getrennt. Je öfter das Mahlen und Trennen wiederholt wird, desto feiner und heller wird das Mehl. In einer Mühle dieser Größe arbeiteten im 19. Jahrhundert zwei bis fünf Personen: Der Meister führte die Aufsicht. Der erste Geselle war für die laufende Technik verantwortlich, nahm das Getreide an und gab das Mehl heraus. Meist waren noch weitere Gesellen und ein Lehrjunge angestellt.

Text 3

Getreidesorten

Schau Dir die Getreidesorten und Produkte unter den Klappen in der Präsentationsinsel an!

Das tägliche Brot: Roggen

Roggenbrot war lange Zeit das am häufigsten gegessene Brot in Deutschland. Bis zum Zweiten Weltkrieg wurde daher in westfälischen Mühlen sehr viel Roggen vermahlen. Roggen hat mehrere Vorteile: Es wächst auch auf nährschtoffarmen, sandigen und trockenen Böden und kann viele Jahre auf derselben Fläche angebaut werden. Er entwickelt sich schnell und unterdrückt sogar Unkraut. Außerdem trocknet Roggenbrot nur langsam aus und ist daher gut als Vorratsbrot geeignet.

Wir essen Roggenbrot heute noch als Schwarzbrot und Vollkornbrot. Eine westfälische Spezialität ist der „Pumpernickel“, ein Schwarzbrot aus Roggenschrot und vollen Körnern, das mindestens 16 Stunden lang gebacken wird. Warum das Brot diesen lustig klingenden Namen bekam, lässt sich nicht mehr genau sagen.

Für Festtage: Weizen

Brötchen, Toastbrot, Kuchen, Nudeln – das sind Produkte aus Weizen, die wir heute gerne und viel essen. Die Spitzenstellung im Getreideanbau hat der Weizen aber erst seit den 1930er-Jahren. Zuvor spielte Roggen als Nahrungs- und Brotgetreide in Deutschland die größere Rolle. Deshalb kam der Weizen nicht so häufig auf den Tisch und somit auch nicht in die Mühlen. Von Zeit zu Zeit wurde ein Stuten gebacken, der aber schnell hart wurde. Daher aß man ihn auch eingeweicht. Kuchen aus Weizenmehl gab es nur zu besonderen Gelegenheiten.

Wegen seiner dünnen Schale lässt sich das Weizenkorn sehr gut vermahlen. Außerdem steckt im Weizen viel Klebereiweiß (Gluten). Daher ist Weizenmehl beim Backen besonders gut zu verarbeiten. Bei neu gezüchteten Weizensorten werden die Pflanzen seltener krank und die Bauern können mehr Weizen ernten. Deshalb ist der Weizen bei uns zu einer der wichtigsten Getreidearten geworden.

Ganz schön alt: Gerste

Seit über 10000 Jahren essen Menschen Gerste. Zunächst haben sie Getreidebrei daraus gemacht. Wenn er länger steht, fängt Getreidebrei an zu gären. So wurde die Möglichkeit entdeckt, aus dem gegorenen Brei Bier zu machen. Auch Whisky und Malzkaffee lassen sich aus Gerste herstellen.

Zum Backen eignet sich Gerste nicht, da sie sehr wenig Klebereiweiß (Gluten) enthält. Aber wer Graupen-suppe und Grießpudding isst, hat es oft mit Gerste zu tun. Sie zu Graupen und Grieß zu verarbeiten, war in der Mühle aufwendig. Dazu mussten die Gerstenkörner geschliffen werden. Es war ein Schälgang nötig. Die Mahlsteine waren in größerem Abstand zueinander ausgerichtet. Sie hießen „Peldesteine“.

Seit etwa 100 Jahren wird die eiweißreiche Wintergerste als Futter für Tiere geschätzt.

Total gesund: Hafer

Hafer ist voller Vitamine! Sie bleiben erhalten, da nur die äußerste Hülle der Körner entfernt wird. Das heißt „entschpelzen“. Die äußere Kornschicht aber bleibt erhalten und mit ihr wichtige Nährschtoffe. So ist Hafer eines der gesündesten Getreide. In Mitteleuropa wird er seit etwa 900 Jahren angebaut.

Als Müsli oder Brei sind Haferflocken bei vielen Menschen beliebt. Dafür wird der Hafer entspelzt, getrocknet und zu den bekannten Flocken gequetscht. Hafer enthält kein Klebereiweiß (Gluten). Menschen, die Gluten nicht vertragen, können dieses Getreide ohne Beschwerden essen. Bei Futtergetreide können die äußeren Hüllen (Spelzen) auch am Korn bleiben. Das Tierfutter wird in der Mühle durch Quetschen und Entstauben vorbereitet.

Neu entdeckt! Dinkel

Gesundes Dinkelbrot, wärmende Körnerkissen, Grünkernbratlinge – kennen wir. Dinkel ist eine alte Weizensorte mit besonders viel wertvollem Eiweiß. Für den Müller war das Verarbeiten des Dinkels sehr aufwendig. Das Korn hat eine feste Außenhülle, die „Spelze“, und muss in einem zusätzlichen Arbeitsschritt geschält werden. Dafür braucht man eine eigene Schälmühle. Weizen bringt einen wesentlich höheren Ertrag ein. Als um 1900 die Bevölkerung wuchs und viel mehr Menschen versorgt werden mussten, setzte er sich gegen den Dinkel durch. Mit der Zunahme der Bio-Landwirtschaft seit etwa 1980 wurde der Dinkel dann wieder beliebter.

Text 4

Mit zweierlei Maß?

„Warum ist der Mehlsack, den ich zurückbekomme, nicht genauso schwer und genauso voll, wie der Getreidesack, den ich zum Mahlen abgegeben habe?“, wird sich manch ein Bauer gefragt haben.

Das Korn wird beim Mahlen in seine Bestandteile aufgeteilt. Feuchtigkeit entweicht und Teile des entstehenden Mehls verstauben. So verringert sich die Menge. Das war aber nicht für alle Kunden nachvollziehbar. Genauso wenig, wie die technische Anlage der Mühle. Dies sorgte für Misstrauen – schließlich ging es ums „tägliche Brot“! So wurde den Müllern gelegentlich Betrug vorgeworfen. Angeblich mischten sie andere Stoffe bei, vermahlten das Getreide anderer Kunden statt des gelieferten, oder versteckten Getreide und Mehl in der Mühle.

Auch das Abmessen des Mahllohns wurde kritisch beäugt. Maß der Müller zu seinem eigenen Vorteil? Denn statt Geld erhielt er noch bis ins 19. Jahrhundert einen Anteil des Mehls seiner Kunden.

Unberechtigte Vorwürfe? Sicherlich gab es „schwarze Schafe“. Doch wie in anderen Gewerben auch waren Betrügereien wohl die Ausnahme und nicht die Regel.

Text 5

Fauler Sack?

„Jeder hat seinen Sack zur Mühle zu tragen“, so ein altes Sprichwort. Gemeint sind damit die Lasten und Sorgen jedes Einzelnen – und die können manchmal ganz schön drücken. Genau wie der gut gefüllte Sack Getreide, den der Bauer zur Mühle brachte.

Der Sack ist eines der ältesten Transportmittel der Menschheit. Mit ihm wurden Waren nicht nur befördert, sondern auch gemessen. In der Mühle hieß er oft Maltersack: Der „Malter“ war ein Maß für Getreide, das von Ort zu Ort unterschiedlich war.

Leider bewegt er sich nicht von allein, der „faule Sack“. In der Mühle sind aber zahlreiche Transportwege notwendig. Zum Beispiel muss das angelieferte Korn zwei Stockwerke hoch bis zum Trichter befördert werden. In einer Mühle wie dieser behalf man sich daher mit Sackwinden und Sackaufzügen.

Einer der berühmtesten Mehlsackträger: Bauer Mecke aus Max und Moritz: „Seht, da trägt der Bauer Mecke, einen seiner Maltersäcke.“

Text 6

Der Herr des Windes

Der Meister in der Mühle war ein Multitalent. Er wusste nicht nur, wie er das Getreide bearbeiten musste und die Mühle in Gang bringen konnte. Er musste die Antriebstechnik der Mühle und das Mahlwerk auch instand halten. Das Schärfen der Mühlsteine war beispielsweise eine Arbeit, die regelmäßig anfiel.

Wie der Wind die Mahlsteine in Bewegung versetzte, konnten Außenstehende nicht sehen. Sie gaben Getreide ab und erhielten Mehl zurück. Deshalb erschien so manchem der Müller als Zauberer, der die Naturkräfte wie Wind und Wasser, sowie die komplexe Anlage beherrschte. Tatsächlich hat sich die Technik der Windmühlen durch das Wissen und die Ideen der Müller über Jahrhunderte weiterentwickelt.

Text 7

Daher weht der Wind …

Nur wenn der Wind die Flügel bewegt, kann die Mühle mahlen. Doch er muss aus der richtigen Richtung kommen. Im Laufe der Zeit haben Müller Techniken entwickelt, um den Wind optimal einfangen zu können.

Turmwindmühle

Hier muss der Wind passen. Die Position der Flügel lässt sich nicht verändern.

Bockwindmühle

Die ganze Mühle steht auf einem Sockel und lässt sich drehen. Das macht der Müller mit einem langen Griff, dem „Steert“.

Holländer- oder Kappenwindmühle

Hier dreht sich nur die Kappe der Mühle – daher der Name. Eine Windrosette bringt die Mühlenflügel automatisch in die neue Windrichtung, wenn der Wind sich gedreht hat.

Unsere Windmühle ist eine Holländerwindmühle mit Galerie. Die Galerie machte es für den Müller leichter, an den Flügeln zu arbeiten.

Hier enden die Texte.