Achatschleiferei
In einer Achatschleiferei werden Achate geschliffen und bearbeitet.
In einer Achatschleiferei werden Achate geschliffen und bearbeitet. Die Steine kamen seit den 1830er-Jahren aus Brasilien nach Idar-Oberstein, dem deutschen Zentrum der Achatbearbeitung. Ein bedeutender Teil gelangte von dort zwischen etwa 1850 und Anfang der 1990er-Jahre in zahlreiche Regionen Afrikas. Dabei spielten viele Jahrzehnte koloniale Häfen wie Liverpool und Marseille vor allem für den Transport eine wichtige Rolle. Das ergab sich aus traditionellen Handelsbeziehungen: Hersteller und Händler aus Idar-Oberstein besuchten seit Mitte des 19. Jahrhunderts mit ihren Waren die Edelstein-Messen in Frankreich und England.
Über französische und englische Einkäufer erfuhren sie von guten Absatzchancen für bestimmte Artikel in Afrika. Dazu gehörten „Turmringe“ und kleinere Achatperlen in unterschiedlichen Formen.
Zwischen 1885 bis 1914 gelangten große Mengen an Achatperlen über Kolonialhandelsgesellschaften auch in die deutschen „Schutzgebiete“. Seit Ende des 19. Jahrhunderts bestanden zudem direkte Kontakte Idar-Obersteiner Firmen zum Beispiel in den Sudan und an die Küsten Nordafrikas.
„Turmringe“ („telkhatim“) sind besonders geschliffene Achate, die Idar-Obersteiner Betriebe für die Völkergruppe der Turareg in Nordafrika produzierten.
Achate
Achate hatten in afrikanischen Kulturen bereits vor der europäischen Inbesitznahme als Schmuck und Zahlungsmittel eine große Bedeutung. Die Artikel aus Idar-Oberstein konkurrierten mit traditionellen indischen Importprodukten, die über Mekka nach Afrika gelangten und deshalb ein besonders hohes Ansehen genossen. Sie wurden ihrerseits zum Teil später von billigen Imitationen aus Glas abgelöst. Idar-Obersteiner Ware punktete mit ihrer kräftigen Farbe, die im Übrigen künstlich durch Beizen erzielt wurde – sowie durch die Politur, die ihre Farben verstärkte und für einen schönen Glanz sorgte.
Der Absatz von Achaten war nicht auf deutsche Kolonien beschränkt, er setzte vor der deutschen Kolonialzeit ein und reichte bis etwa 1995. Allein zwischen 1850 und 1980 kamen schätzungsweise 100 Millionen geschliffene und gebohrte Achatstücke nach Afrika. Da sich mit den Artikeln keine großen Gewinnmargen erzielen ließen, entstanden sie in den Achatschleifen in Zeiten, zu denen es keine Nachfrage nach höherwertigen Produkten gab. Auch in dem Vorbild zur Achatschleife im Museum wurden solche Massenware hergestellt.
Schmuck oder Tausch- und Zahlungsmittel?
Würfel, Walzen, Scheiben, Oliven in verschiedenen Größen, krallenförmige Scheiben, Zähne und „Pampeln“ [von links oben im Uhrzeigersinn]:
Das sind Formen aus Idar-Oberstein für westafrikanische Käuferinnen und Käufer. Diese fragten eine große Vielfalt an Formen und Farben nach. Besonders gesucht waren Steine in einem dunklen Rotbraun, das in Idar-Oberstein künstlich durch Beizen erzeugt wurde. Die Farbe stand – so eine lange geläufige Interpretation – für das Leben und sollte zugleich schädliche Einflüsse und den „bösen Blick“ abwehren. Die beliebteste Form in Westafrika war die Pampel. Die Begriffe für die unterschiedlichen Ausprägungen sind Handelsnamen der Idar-Obersteiner Firmen. Alle Formen waren geeignet, als Schmuck getragen zu werden.
Während sie die Art der Nachfrage in Afrika gut kannten, wussten die Produzenten in Idar-Oberstein nur wenig über den eigentlichen Verwendungszweck der Waren, die sie produzierten. Sie brachten sie unter den Begriffen „Afrikanisches Geld“, „wilde Artikel“ oder „Senegalartikel“ auf den Markt. In vielen afrikanischen Kulturen bildeten Achate einen wichtigen Bestandteil des Schmucks und waren ein Statussymbol, das leicht mitzuführen war. Deshalb verkauften sie die Familien nur in Notzeiten, so dass sie kaum als „Währung“ dienten. Um sie an Ketten auffädeln zu können, erhielten Achate in der Regel eine Bohrung, die bei den gezeigten Objekten noch fehlt.
Und heute?
Davon, dass die Tauschbeziehungen zwischen den Händlern, die bearbeitete Achate aus Idar-Oberstein anboten, und afrikanischen Abnehmerinnen und Abnehmern ausgeglichen waren, ist kaum auszugehen. Unabhängig davon haben Achate bis heute einen Platz etwa in der Kultur der Tuareg. Dort sind besonders Achatwaren aus dem 19. Jahrhundert beliebt und gehören in bestimmten Regionen beispielsweise zum Kopfschmuck einer Braut.
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