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Kolonialwarenladen

Kolonialwarenladen

Ausbeutung für den Einkaufskorb

Eine der größten Handelsketten Deutschlands hat ihre Wurzeln im Kolonialwarenhandel: Edeka startete 1898 als „Einkaufsgenossenschaft der Kolonialwarenhändler im Halleschen Torbezirk zu Berlin“, zunächst unter der Abkürzung „E. d. K.“, seit 1911 dann als „Edeka“.

Als Einkaufsgenossenschaft bündelte Edeka die Interessen von Händlern, die seit etwa 1870 in „Kolonialwarenhandlungen“ vor allem Lebens- und Genussmittel aus Kolonien anboten. Die deutsche Bevölkerung traf beim Einkaufen am direktesten auf das Thema „Kolonien“ mit den von dort stammenden Waren. Ob Kaffee, Kakao oder Tee, ob Reis, Gewürze, Zucker oder Bananen – Produkte überseeischer Herkunft gab es zeitweise gleichsam an jeder Ecke. Denn in Städten und kleinen Gemeinden eröffneten zahlreiche Geschäfte mit diesem Angebot.

Die auf Ausbeutung und Zwangsmaßnahmen beruhenden Produktionsbedingungen gerieten nicht in den Blick der Käuferschaft. Zugleich überzeugte die kolonialpolitische Propaganda die Öffentlichkeit vom Anspruch des Deutschen Reichs auf Kolonien und den Konsum der dort gewonnenen Rohstoffe und Waren.

Werbemarke für Produkte der Edeka, darunter ist auch Kakao.

Hintergrundwissen

Rohrzucker kam als Melasse aus Kolonien nach Amsterdam, Hamburg und London und wurde dort endraffiniert. Erst mit der Kontinentalsperre 1806 bis 1813 gelangte als Ersatz für den nun kaum mehr erhältlichen Zucker aus Zuckerrohr verstärkt Zucker aus Rüben auf den europäischen Markt. Ab 1850 setzte die industrielle Produktion von Zucker ein, zusammen mit dem Konkurrenzdruck zwischen Rohr- und Rübenzucker führte das zu sinkenden Preisen und machte Zucker vom Luxusgut zur Massenware. Nicht zuletzt seine Süße verhalf weiteren Kolonialwaren wie Kaffee, Tee und Kakao, die ungesüßt bitter schmecken, zu ihrer Popularität.

Achatschleife

Kolonialware Zucker

Zuckerrohr wurde bereits im 16. Jahrhundert aus dem Mittelmeerraum in die Karibik und Südamerika eingeführt und dort auf Plantagen angebaut. Die Grundlage, um die großen Flächen zu bewirtschaften, bildete die zwangsweise Überführung versklavter Menschen aus Afrika.

Bis etwa 1850 kam Zucker meist in Form eines „Huts“ in den Kolonialwarenhandel. Er entstand, wenn konzentrierter Pflanzensaft aus Zuckerrohr oder Rüben zum Auskristallisieren in leicht abgerundete Formen gegossen wurde. Solche Zuckerhüte waren allerdings sehr fest. Beim mühsamen Zerkleinern wurde der Zuckerhut mit einer speziellen Zuckerzange festgehalten, die hier auf einer Bodenplatte montiert ist.

„Zuckerbrecher“
Hersteller unbekannt; 18./19. Jahrhundert
Stadtmuseum Lippstadt

Und heute?

Immer noch konsumieren wir in Deutschland gern Nahrungs- und Genussmittel, die nicht in Europa wachsen. Die kolonialen Strukturen, unter denen der Anbau begann, wirken in den Herkunftsländern, oft ehemalige Kolonien, noch nach. Was dort den meist ausländischen Konzernen große Gewinne bringt, ist häufig mit schlechten Arbeitsbedingungen und weiteren Raubbau an der Natur verbunden. Seit den 1960er-Jahren gibt es Initiativen, die sich für faire Bedingungen bei Anbau und Vertrieb einsetzen. Das „Fairtrade-Siegel“ kennzeichnet gegenwärtig Produkte, die unter ökonomisch, ökologisch und sozial fairen Bedingungen angebaut und verarbeitet werden.

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Eine Querverbindung zum Thema im LWL-Freilichtmuseum Hagen: Von der Firma Bommers & Schuchart stammt die Ausstattung unserer Kaffeerösterei. Sie war nicht nur die erste „Dampf-Kaffeerösterei“ in Iserlohn, sondern ging aus einer 1850 gegründeten Kolonialwarenhandlung hervor. Erst Ende des 19. Jahrhunderts ergänzte sie ihr Angebot um Röstkaffee und Waschpulver, setzte aber weiterhin auf den Großhandel mit „Kolonialwaren“.

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