Seilerei
„Mkonge ni Tanga na Tanga ni Mkonge“
„Sisal ist Tanga und Tanga ist Sisal“ – so die Übersetzung aus dem Kisuaheli. Mit dieser Formel soll die enge Verbundenheit der Region Tanga in Tansania mit der Naturfaser ausgedrückt werden. Zwar ist der Beginn des Anbaus mit der deutschen Kolonialzeit und deshalb für viele Menschen mit sehr negativen Erinnerungen verbunden. Doch entwickelte sich Sisal bis in die 1960er-Jahre zu einem der bedeutendsten Ausfuhrprodukte des Landes.
Sisal-Agaven gehören zu den Pflanzen, die planmäßig in deutsche Kolonien in Afrika eingeführt und dort in Plantagen angebaut wurden, um Deutschland von Importen aus anderen Ländern unabhängig zu machen. Für Sisalplantagen ließen die Plantagenbesitzer vielfach Wälder roden und große Monokulturen anlegen. Der Arbeitskräftebedarf war sehr hoch. Er wurde vielfach durch Zwangsarbeit gedeckt.
Versuchsplantage mit Sisal in Tansania: Die riesigen geometrisch angelegten Sisalplantagen bedeuteten einen tiefen Eingriff in die Landschaft. Die Aufnahme stammt aus dem Bildbestand der Deutschen Kolonialgesellschaft.
Hintergrundwissen
Beheimatet ist die Pflanze in Mexiko, nach einem dortigen Hafen erhielt die „Agave sisalana“ ihren Namen. 1893 begann die Anpflanzung in Ostafrika mit 60 Setzlingen, 1898 erfolgten die ersten Ernten. Für Sisalplantagen ließen die Plantagenbesitzer vielfach Wälder roden und die großen Monokulturen anlegen. Der Arbeitskräftebedarf war groß, gleichzeitig begann für bestimmte Produktionsschritte der Einsatz von Maschinen bereits früh: Eine Musterberechnung ging 1896 davon aus, dass auf einem Hektar 1 600 Pflanzen standen und für jeden Hektar ein Arbeiter benötigt wurde. Um eine Maschine das ganze Jahr lang rentabel die Blätter zu Fasern verarbeiten zu lassen, war die Produktion von 50 000 Blättern täglich notwendig. Sie ließen sich nur auf einer Plantage mit einer Größe von mindestens 470 Hektar erwirtschaften. Die Ernte der bis zu zwei Meter langen stacheligen Blätter war sehr hart. Bis heute werden nur die untersten Blätter genutzt. Die Fasern werden dann vom Blattfleisch getrennt, gewässert, gereinigt und an der Sonne getrocknet. Die schweren Arbeitsbedingungen führten dazu, dass einheimische Arbeiter:innen die Plantagen möglichst bald wieder verließen, wenn sich andere Verdienstmöglichkeiten zum Beispiel beim Zapfen von Kautschuk boten.
Billige Faser?
Sisalhanf, aber auch Manilahanf und Jute sollten seit der Mitte des 19. Jahrhunderts deutschen Seilereien billigere Fasern aus den Kolonien liefern. Die Befürworter des Sisalhanfs sahen vor allem die Vorteile für den europäischen Markt: Das Material ist fast um ein Fünftel leichter als normaler Hanf, es hat zudem eine größere Reißfestigkeit und Widerstandsfähigkeit gegen Feuchtigkeit als der europäische Hanf.
Die Fasern wurden zu Bind- und Schnurfäden, Wäscheleinen und Bindestricken verarbeitet. Sisalfäden kamen besonders beim Binden von Stroh mit Erntemaschinen zum Einsatz.
moderne Sisalfasern
LWL-Freilichtmuseum Hagen
Und heute?
Sisal ist im Vergleich zu synthetischen Fasern, die nicht verrotten, nachhaltig; auf den Anbauflächen müssen zudem keine Pestizide eingesetzt werden. Mit dem steigenden Bedarf an nachhaltigen Materialien wächst in Tansania wieder der Anbau von Sisal. Es zählt heute zu den wichtigsten Anbauländern und produzierte 2023 rund 40 000 Tonnen des pflanzlichen Rohstoffs. Während die Pflanze in Brasilien von Kleinbauern angebaut wird, geschieht dies in Tansania immer noch auf großen Plantagen und unter problematischen Arbeitsbedingungen. Für den fairen Handel werden Gütesiegel für Waren vergeben, die ohne Zwangsarbeit und ohne Arbeit von Kindern unter 14 Jahren hergestellt wurden.
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