Lohmühle
Mangroven statt Eichen
Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts wurde das traditionelle pflanzliche Gerbmittel – die Lohe aus Eichenrinde – in Deutschland knapp. Die Lederindustrie sah im Import von Pflanzengerbstoffen aus anderen Ländern, vor allem tropischen und subtropischen, einen Ausweg.
Eigentlich war das Holz des Quebrachobaums bereits als Ersatzstoff für Lohe eingeführt. Doch dies kam in erster Linie aus Argentinien. Um auf Importe aus anderen Ländern verzichten zu können, begann eine intensive Suche nach geeigneten Gerbstoffen in den eigenen Kolonien. So gerieten Mangrovenbestände in West- und Ostafrika in den Blick der deutschen Kolonialwirtschaft.
Mangrovenrinde enthält einen Gerbstoff, der in Afrika und Asien bereits lange zum Gerben und Färben genutzt wurde. Mangrovenbestände wuchsen in den Überflutungsgebieten der Küsten. Bei der Arbeit standen die Arbeiter:innen ständig in Schlick und Schlamm, Luftwurzeln erschwerten die Tätigkeit zusätzlich. Viele Arbeitskräfte wurden zu den Arbeiten gezwungen.
Der Geograf Carl Uhlig (1872 – 1938) fotografierte Anfang des 20. Jahrhunderts Mangrovenwälder auf seinen Ostafrikareisen. Solche Forschungsreisen bereiteten die Ausbeutung der Rohstoffe in den Kolonien vor.
Hintergrundwissen
Der Anteil an pflanzlichen Gerbstoffen aus Kolonien war für einige Jahrzehnte sehr hoch, 1907 führte Deutschland für 41,7 Millionen Mark Gerbstoffe ein, davon aus überseeischen Gebieten 28,4 Millionen. Nach dem Ersten Weltkrieg kamen dann mineralische und synthetische Gerbstoffe zum Einsatz.
„Die Nutzpflanzen unserer Kolonien und ihre wirtschaftliche Bedeutung für das Mutterland“
Das Werk „Die Nutzpflanzen unserer Kolonien und ihre wirtschaftliche Bedeutung für das Mutterland“ stellte 1909 mit einem ökonomisch geprägten Verwertungsgedanken verschiedene Pflanzen vor, von deren Ausbeutung sich der Verfasser wirtschaftlichen Gewinn versprach. Bei den „Gerbhölzern“ nennt er Gerberakazien, Catechu-Akazien und Mangroven. Der hohe Gerbstoffgehalt der Mangroven führte dazu, dass sie „in immer steigenden Mengen gewonnen und nach Europa ausgeführt“ wurden. Doch waren die Ergebnisse der Gerbung enttäuschend. Es entstand ein stark rot gefärbtes Leder von „schwammiger Beschaffenheit“, für das es in Deutschland kaum Abnehmerinnen und Abnehmer gab. Schließlich kam ein besonders aufbereitetes Mangrovenextrakt zum Einsatz, das vor allem die einheimischen, schwächeren Gerbbrühen verstärkte.
D. Westermann: Die Nutzpflanzen unserer Kolonien und ihre wirtschaftliche Bedeutung für das Mutterland. Berlin 1909
LWL-Freilichtmuseum Hagen
Und heute?
Pflanzliche Gerbstoffe aus früheren Kolonialgebieten spielen gegenwärtig keine Rolle mehr in der Gerberei. Dennoch sind die ökologisch wertvollen Mangrovenbestände weiterhin gefährdet: Rund ein Drittel der Abholzung findet statt, um Garnelenzuchten anzulegen. Ein Problem stellt zudem der Reisanbau dar. Außerdem werden Mangrovenwälder in Soja- und Palmölplantagen umgewandelt. Das ist häufig in Indonesien der Fall, das heute das Land mit dem größten Mangrovenbestand der Welt ist.
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